Als Orientierungszeit verbrachte ich einige Tage im touristischen Stadtteil Thamel, wo sich die Stadt als chaotischer Schmelztiegel laut werbender Straßenhändler, unzähliger sich aneinanderreihend bunter Souvenirshops, Stromleitungswirrwarr, Fahrrad-Rickschas, qualmender Autos und jede Menge Straßenstaub präsentiert. Die Betriebsamkeit kann für Europäer anfangs durchaus in einem kleinen Kulturschock münden. Doch sogleich wurde ich auch von der Freundlichkeit und Offenheit der in Kathmandu lebenden Nepalesen überrascht. Man kommt relativ schnell ins Gespräch. Und auch wenn womöglich viele der Straßenhändler Geschäft hinter so manchem Smalltalk wittern mögen – wenn man selbst etwas offen und ehrlich an die Menschen herantritt, und gar noch erwähnt, dass man hier als Volontär arbeitet – so kann man eine aufrichtige Dankbarkeit in vielen Gesichtern lesen.
In diesen Tagen wurde ich von der Leiterin der Partnerorganisation empfangen – sie war für mich während meines Aufenthalts die Ansprechperson. Ich erhielt von ihr eine Führung durch den Stadtteil Thamel und auch einen Nepali-4-Stunden-Crashkurs – eine durchaus wertvolle Erfahrung. Ich fühlte mich bei ihr von Anfang an wohl und gut aufgehoben.
Da noch ein paar Tage bis zu meinem Freiwilligeneinsatz zur Verfügung standen, nützte ich die Zeit um eine Trekkingtour in den wunderbaren Langtang-Nationalpark mit einem sehr netten nepalesischen Guide zu unternehmen. Trotz mangelnder Ausrüstung und wenig Kondition ein fantastisches - horizonterweiterndes Spontan-Erlebnis, das ich wirklich nur jedem ans Herz legen kann, der das Land und Leute besser kennenlernen möchte (und etwas Zeit zu Verfügung hat). Dann kam das Placement im Kloster. Hierfür wurde ich zum östlichen suburbanen Stadtrand gebracht.
Das Kloster
Das Gebäude des Klosters ist wirklich wunderschön anzusehen. Statuen, Ornamente und wunderschöne Bemalungen verzieren die terassen- und stufengeschmückte Fassade und obwohl um das Gelände herum der urbane Look Kathmandus nur wenig nachlässt, fühlt man an diesem Ort eine Atmosphäre der Ruhe. Junge Mönche im Alter zwischen 7 und 24 tummeln sich munter und verspielt am sauber gekehrten Vorplatz.
Beim Bezug der extra für Volontäre gedachten Zimmer offenbart sich dann der für europäische Verhältnisse aber doch ziemlich spartanische Lebensstil. Die Zimmer selbst sind ziemlich kühl, was man – wenn man so wie ich im Februar hinkommt – vor allem in der Nacht empfindlich zu spüren bekommt (ca. 8 Grad Zimmertemperatur). Die Matratzen der Betten sind eher hart und die vor Ort auffindbaren Decken dünn. Eine Toilette gibt es im europäischen Stil, Spiegel gibt es in keinem einzigen Klosterraum und Toilettenpapier muss man selbst besorgen. Aber vor allem sucht man nach Warmwasser vergeblich. Hier ist beinhart Kaltduschen angesagt. Man muss auch wissen, dass fast überall in Kathmandu die Fenster zur Straße nie ganz abdichten – d.h es dringt auch in der Nacht erheblicher Straßenlärm ins Innere. Anfangs haben mir die über die ganze Nacht bellenden Streunerhunde erheblich den Schlaf geraubt. Wir hatten so gut wie jeden Abend einmal einen kompletten Stromausfall – manchmal für 30 Sekunden – manchmal die ganze Nacht lang.
Der Tagesablauf
Für die Mönche geht es um 6:00 aus den Betten – diese werden recht laut und gnadenlos mit laut schlagenden Gongs geweckt. Die Volontäre haben‘s hier etwas besser. So man nicht bereits durch die vorher erwähnten Aufweckmethoden oder das danach folgende Gebetsritual (Es werden hier die an Alphörner erinnernden Dungchen geblasen) munter geworden ist, könnte man theoretisch noch 2-3 Stunden länger schlafen, denn die erste Unterrichtsstunde beginnt erst am späten Vormittag. Oder aber man ergreift die einmalige Chance, nimmt am Gebetsritual teil oder frühstückt mit den Mönchen um 7:00.
Von 10:15 bis 11:00 gibt es dann die erste Unterrichtseinheit. Um 11:30 das gemeinsame Mittagessen. Die zweite Unterrichtseinheit findet dann von 13:00 bis 14:00 statt. Theoretisch wäre dann der restliche Tag für die Volontäre frei. Wer noch mag, kann um 15:00 mit den Mönchen Tee trinken. Zwischen 16:00 und 18:00 findet für die Mönche ein zweites Gebetsritual statt. Dabei sprechen einige der Mönche laut im Klassenraumbereich Gebetspassagen, während im großen, wunderbar prunkvoll ausgestatteten Festsaal ein simultanes Gebetsritual (Puja) mit tibetischen Musikinstrumenten vollzogen wird. Wie in der Früh finden dabei die mächtig klingenden Dungchen und große Trommeln Verwendung. Wenn man sowohl die Gebete, als auch die dröhnenden Schwingungen der Blasinstrumente gleichzeitig hört, so verbleibt schon ein ziemlich intensiv mystischer Eindruck. Auch hier hat man als Volontär die Möglichkeit (nach vorheriger Absprache) als Zuhörer teilzunehmen. Sehr empfehlenswert!
Danach – gegen 18:30 - gibt es gemeinsames Abendessen und ab ca. 20:00 ist zumindest für die Mönche Nachtruhe angesagt. Man hat als Volontär zeitlich ziemlich viel Freiheit. Wenn man die Unterrichtsstunden geleistet hat, kann man sich den Tag frei einteilen. Allerdings gilt es zu beachten, dass das große Klostertor um 20:30 zugesperrt wird. Danach ist es unmöglich, das Kloster für die Nacht betreten zu können. Dies sollte man unbedingt einkalkulieren, wenn man später z.B extern Abendessen geht.
Essen und Verpflegung
Essen gibt es im Kloster dreimal am Tag – und zwar dreimal am Tag Dhal Baat. Dies wird im Speisesaal zusammen mit den Mönchen eingenommen. Das schmeckt eigentlich ganz gut, kann aber nach ein ein paar Wochen Aufenthalt doch etwas eintönig werden. Teller und einen Löffel erhält man, Abschwaschen muss jeder selber. Wer ab und an etwas kulinarische Abwechslung sucht, sollte sich in der Umgebung nach den kleinen Bhatti‘s (erkennbar an einem Vorhang vorm Eingang) umschauen. Gleich gegenüber dem Kloster gibt es eins, da erhält man um umgerechnet 1,60 Euro (!) ein Mittagessen. Natürlich vorwiegend nepalesische Gerichte, diese schmecken wirklich vorzüglich!
Der tägliche Umgang mit den Mönchen
Ich war absolut positiv überrascht wie schnell die kleinen Mönche Vertrauen fassen. Die anfänglich natürliche Scheue weicht schnell dem Interesse, so man auch den Kleinen offen und mit einem sonnigen Gemüt begegnet. Was sehr gut ankommt, ist die Mitnahme von Dingen aus dem Heimatland um etwas initale Aufmerksamkeit zu erhalten. Das kann z.b ein Fußball oder anderes Gruppensportgerät sein – oder, so wie in meinem Fall eine Gitarre. Damit war die Aufmerksamkeit und die sofortige Begeisterung bei jung und alt garantiert. Auch die älteren Jugendlichen sind sehr interessiert und scheuen kein Gespräch über allerhand weltliche Themen. Ich habe die Interaktion mit den Mönchen total genossen. Dabei merkt man ziemlich schnell, dass auch die Mönche jene Wesenszüge und Verhalten an den Tag legen, wie man es von westlichen Kindern/Jugendlichen kennt – mit allen Vorzügen und Nachteilen. Da kann es schnell mal auch überdreht ungestüm oder ab und an gar etwas undiszipliniert hergehen. Man merkt schnell, dass den Mönchen auch „westliche“ Themen wie Social Media, Smartphone oder sonstiges pubertäres Gossip nicht fremd sind.
Alles in Allem können einem die Kinder schnell ans Herz wachsen. Es sind überwiegend neugierige und total liebevolle Menschen. Während meiner Zeit im Kloster waren noch 5 andere Volontärs-Kollegen im Einsatz. Zum größten Teil Burschen und Mädchen, die meist soeben ihre Schulzeit abgeschlossen oder das Studium unterbrochen haben. Durch die gemeinsame Aufgabe kommt man auch hier schnell ins Gespräch. Im Großen und Ganzen klappte das gegenseitige Unterstützen prima und es kann sich auch hier schnell eine wunderbar kollegial-freundschaftliche Atmosphäre entwickeln.
Der „Unterricht“
Meine eigentlichen Aufgabe – das Unterrichten war für mich durchaus als Herausforderung zu verstehen. Denn hier gilt es sämtliche europäischen Maßstäbe komplett über Bord zu werfen. Wer sich bislang an Begriffen, wie Bildungssystem, Organisationsstruktur oder Lehrpläne festhielt, darf sich durch den nepalesischen „Laissez-faire“-Stil gehörig umorientieren. So sind die Unterrichtsstunden mit den Volontären dort bestenfalls unserer Kinder-Betreuung mit Schulcharakter gleichzusetzen. Man wird faktisch ohne Vorbereitung oder etwaige Vorinfos über Bildungsstand der Klasse, Stundenplan oder Lehrcurriculum ins kalte Wasser geworfen. 6 Klassen gab es – die Mönche sitzen in unterschiedlicher Anzahl und selbst altersmäßig gemischt in den Räumen. In der Regel beaufsichtigt man 8-12 Schüler. Dafür kann man wiederum den Unterricht sehr flexibel gestalten – ob Englisch, Mathematik oder z.B Geografie – die Volontäre haben hier genug kreativen Bewegungsspielraum - auch innerhalb einer Unterrichtsstunde. Es kann aber auch ab und an durchaus passieren, dass man als Volontär den Klassenraum betritt und kein Schüler anwesend ist, da durch geänderten Tagesablauf im Kloster andere Beschäftigungen auf die Mönchen gewartet haben.
Was auch hier immer sehr gut ankam, ist das Zeigen von Bildern aus dem Heimatland – und natürlich Lernspiele. Insider-Tipp: Vorsicht mit einer zu großzügigen Erwähnung des Wortes „Game“. Die Mönche nützen dieses Wort sehr gerne immer wieder mitten im Unterricht als „imperative“ Aufforderung, damit der Lehrer sein Smartphone hergibt, um darauf Computerspiele spielen zu dürfen. Hier dürften einige Volontärs-Kollegen vor mir derartige Beschäftigungsstrategien dem Unterricht gleichgesetzt zu haben. Ob das dann zielführend ist – möge jemand Anderer beurteilen. Vieles darf man hier nicht zu persönlich nehmen. (Auch wenn ab und an die kleinen Mönche mitten im Unterricht kommen oder gehen) Man erspart sich viel Frust, wenn man davon absieht hier zu hohe Erwartungen zu haben oder mit westlich orientiertem Bildungsidealismus Missionsziele zu verwirklichen. Das durfte ich zumindest lernen ;-) Die meisten Kinder sind unheimlich dankbar, dass man mit ihnen 2 Stunden am Tag Zeit verbringt – mit dieser Einstellung hat man auf alle Fälle gewonnen.
Fazit und Tipps
Auch wenn das Unterrichten durch die gegebenen organisatorischen Schwächeerscheinungen für Neulinge wie mich zum ziemlichen Umdenken forderte, war es eine sehr bereichernde Erfahrung. Man sollte sich als Europäer absolut dankbar fühlen, wenn man erfahren darf, wie Menschen, die im Vergleich zu uns extrem entbehrlich leben, trotzdem so viel Lebensfreude an den Tag legen können. Viele haben wenig und geben dennoch so viel. Etwas, was uns in Europa durchaus als Vorbild dienen darf.
Die drei Wochen werden für mich jedenfalls unvergesslich positiv in Erinnerung bleiben und ich bin extrem dankbar, dass ich diese Kultur kennenlernen durfte und dass mir so viele wertvolle Menschen begegnet sind. Zum Schluss noch ein paar Tipps für nachfolgende Volontäre, was man eventuell noch in Betracht ziehen sollte von daheim mitzunehmen:
- Ohropax / Ohrenstöpsel (Für die, die leichten Schlaf haben. Egal ob Hotel oder Kloster – der Straßenlärm ist beträchtlich in Schlafräumen zu hören – auch bei Nacht)
- Isomatte (Macht im Kloster die recht harten Schlaf-Matratzen bequemer und wärmer)
- Schlafsack (Falls man sich entschließt eine Trekkingtour zu machen – bzw. als zusätzliche Decke, wenn man in den Wintermonaten nach Kathmandu reist – die unbeheizten Schlafräume im Kloster können in der Nacht dann durchaus kühl sein)
- Stirnlampe (bei Trekkingtouren – sowie im Kloster – ein sehr nützliches Tool. Der Strom fällt im Kloster immer wieder meist Abends aus, bzw. ist bei Wanderungen in den Gästehäusern oft überhaupt nicht vorhanden!)
- Film(e) auf Englisch (Entweder per Netflix oder dgl. herunterladen oder lokal auf ein Smartphone/Tablett/Laptop speichern – während meiner Zeit im Kloster war zumindest jeden Freitag Filmtag, wo die Mönche quasi offiziell statt Unterricht Filmschauen dürfen. Daran wird man auch von den Kleinen brav in jeder Unterrichtsstunde jeden Wochentag unentwegt erinnert ;-)
- Whiteboardmarker!! (Lehrmaterial war zu meiner Zeit dort kaum bis gar nicht vorhanden – Vor allem Whiteboardmarker bekommen hier immer wieder Beine und sind absolute Mangelware. Das Kloster freut sich sehr, wenn man diese dann nach geleisteter Volontärsarbeit spendet.
- Unterrichtsmaterialen wie z.B bereits ausgedruckte Lerntafeln und jede Menge Papier/ Blöcke (Die Schüler haben meist zu wenig davon und im Büro war keine von den oben genannten Materialien zu haben)
- Laptop (Nicht wirklich zwingend - Aber in meinem Fall oft der Retter in der Not, wenn es an sonstigen Unterrichtsmaterialien oder Visualisierungsmedien gemangelt hat. Zumindest konnte ich dann Photos/Bilder oder nicht ausgedruckte Lerntafeln zumindest am Bildschirm herzeigen.