Freiwilligenarbeit in Thailand - Erfahrungsbericht

Unterrichten in Thailand - Anders, als ich es mir vorgestellt habe

(von Lilian, 22.04.2015)

Nach sechs Monaten im Norden Thailands kann ich zusammenfassen: Es ist komplett anders, als ich es mir vorgestellt habe, viele meiner Erwartungen wurden nicht erfüllt, etliche andere dafür aber weitaus übertroffen. Alles in Allem hatte ich eine tolle Zeit, in der ich immer wieder, für mich, einmalige Momente erlebt habe.

Bevor ich mich Ende September 2014 auf den Weg nach Thailand machte, wusste ich im Grunde genommen nichts über mein Umfeld für das nächste halbe Jahr. Es stellten sich mir Grundlegende Fragen wie: In der Projektbeschreibung ist von Englischunterricht für Bergdörfer die Rede. Werde ich direkt in so einem Dorf wohnen? Gibt es dort überhaupt gepflasterte Wege? Wie sieht es mit fließendem Wasser und Strom aus?

Im Endeffekt besteht das Projekt aus einem schönen, mit westlichen Standards ausgestattetem Haus inmitten von Reisfeldern, welches am Rand von Chiang Rai, einer Recht großen Stadt ganz im Norden des Landes, liegt. In jedem Zimmer leben jeweils 2 Freiwillige und in einem vor dem Wohnhaus stehenden, offenen Raum befinden sich Wohnzimmer und Küche.

Ich habe gemeinsam mit einer anderen Freiwilligen in einer 4km entfernten Schule unterrichtet, zu der wir mit dem Fahrrad fahren konnten. Andere Schulen sind weiter weg, hier stellen die Schulen Motoroller oder einen Abholdienst. Laut Stundenplan hätten wir 7 Unterrichtsstunden in der Woche gehabt, wovon allerdings mindestens 2 ausgefallen sind. Durch zahlreiche Kinderheime in der Umgebung war es allerdings kein Problem dort eine weitere Stelle für den Nachmittag zu finden, somit hatten wir dann doch einen ausgefüllten Alltag.

In der Grundschule habe ich 1. - 3. -klässer unterrichtet. In jeder Klasse sind 25 bis 45 Schüler, welche sehr unterschiedlich alt sind. So sind die meisten in der ersten Klasse 6 Jahre, einer ist allerdings schon 15, da seine Mutter erst jetzt die finanziellen Möglichkeiten hatte, ihrem Sohn die Schulbildung zu ermöglichen. Die meisten Kinder sind Akha, einer der vielen Bergstämme, die im Norden Thailands leben. So kommt auch das "Unterrichten von Bergvölkern" in der Projektbeschreibung zustande.
In den meisten Stunden saß eine Studentin vor dem Klassenzimmer. Sie griff wenn nötig durch und brachte die Kinder, teilweise auch gewaltsam, zur Ruhe. An solche, doch sehr ungewohnte, Erziehungsmethoden konnte ich mich anfangs schwer gewöhnen.. Doch man lernt häufiger mal "Mai pen lai" (Thai: Macht nichts) zu denken, denn die Position solche grundlegenden Dinge zu ändern steht einem in einer Fremden Kultur definitiv nicht zu. 
Der Unterrichtsstoff ist ähnlich wie an unseren Grundschulen. Von dem Alphabet, über Zahlen und Farben bis hin zu Verben ist alles dabei. Was genau wir machen, konnten wir selbst entscheiden, einen festen Lehrplan schien es nicht zu geben.

Die Arbeit in dem Kinderheim hat mir eigentlich noch mehr Spaß gemacht, da die Gruppen viel kleiner sind (4 bzw. 6 Schüler) und manche schon recht gut Englisch sprechen können. In den Heimen hier sind die meisten Kinder keine Waisen. Ihre Familien leben häufig in Myanmar oder in Bergdörfern und sind oft zu arm um den Kindern eine Zukunft zu bieten. Somit haben die Mädchen in meinem Heim keinen thailändischen Pass und dürfen nicht in die Schule gehen. 
Hier war das Unterrichten etwas anspruchsvoller, da die Mädchen schon zwischen 14 und 17 Jahren alt sind. Außerdem gab es keinen, der im Zweifelsfall übersetzt hätte.

Außerhalb des Unterrichts habe ich eigentlich noch mehr erlebt. Mit der WG haben wir viele Ausflüge in die Umgebung unternommen, wurden zu etlichen Festen eingeladen, versuchten uns möglichst selten "kulturell intolerant" zu verhalten und haben jede menge Eindrücke ausgetauscht.
So waren wir zum Beispiel zu Loi Krathong, dem buddhistischem Lichterfest, in dem alten Königreich Sukhothai und liessen dort gemeinsam Himmelslaternen steigen und Bananenboote schwimmen. Oder wir wurden zu dem Erntedankfest in dem Akhadorf unserer Betreuerin eingeladen und nahmen dort an einem Gottesdienst und dem traditionellen Essen teil.

Insgesamt habe ich in den letzten 6 Monaten wahnsinnig viel erlebt. Ich denke, dass man enttäuscht wird, wenn man erwartet, dass sich das Englisch der Kinder durch die eigene Ankunft schlagartig verbessert, oder dass man das Leben dieser Kinder verändert. Was ich allerdings, hoffentlich, erreichen konnte war ein kultureller Austausch. Die kleineren Kinder lernen, dass die "Falangs" (Westler) gar nicht so anders sind als sie selbst. Sie sind begeistert von der Andersartigkeit und sind sehr interessiert an den Fremden Lehrern. Und die Kinder aus dem Kinderheimen wissen jetzt wer die Queen und Obama sind und, dass es nicht nur in Amerika schneit. Außerdem habe ich selbst sehr viel gelernt. Über Beobachten und Anpassen, über das Eingliedern in eine Gruppe und in eine komplett neue Kultur, über das Leben in Thailand, über Armut und Reichtum und über etliche weitere Dinge, die ich gar nicht alle zusammenfassen kann.

Nachdem ich das Projekt verlassen habe, werde ich noch weitere 3 Monate durch Südostasien reisen, um auch Thailands Nachbarländer kennen zu lernen und um noch weitere Erfahrungen zu sammeln, diese werden leider nicht mehr so umfangreich sein, wie das erlebte beim Unterrichten.

Ich hatte eine tolle Zeit in Chiang Rai, habe Freunde fürs Leben gefunden und Erfahrungen gesammelt, die mein Leben bereichern. Ich kann das Projekt wirklich jedem Empfehlen.

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